Personalien

Montag, 3. März 2008

Bernward Vesper, Dichter & Verleger

"Ich habe nicht darum gebeten, Europäer werden zu dürfen,
geboren als Deutscher im Jahre 1938 in einer Klinik in
Frankfurt an der Oder, als Kind von Mittelklasseeltern,
die einem vertrottelten Traum vom Tausendjährigen Reich
anhingen. Ich werde mir die Freiheit nehmen, die man mir
vorenthalten hat, ich werde mich verwandeln, bis ich alle
Stadien durchlaufen habe."

Die Person, die uns zornig und unzufrieden diese Worte entgegenschleudert, war kein bedeutender Schriftsteller, aber auch kein unbedeutender Autor. Er hat nur ein einziges Buch geschrieben, welches erst sechs Jahre nach seinem Tod veröffentlicht wurde und noch dazu vielen als unlesbar gilt. Kaum ein Mensch aus Frankfurt (Oder) wird den Namen des Autors kennen, keine Straße heißt nach ihm und nach seiner Geburt kam er auch nie mehr hierher zurück, obwohl er doch nur wenige Kilometer entfernt, in Westberlin, lebte.

Bernward Vesper (* 1. August 1938 in Frankfurt an der Oder, † 15. Mai 1971 in Hamburg) war der Sohn des Nazidichters Will Vesper und der erste Lebensgefährte der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin, mit der auch einen gemeinsamen Sohn zeugte. Sein Leben und Schreiben und Sterben ist deswegen so interessant, weil sich soviel Exemplarisches zur deutschen Nachkriegsgeneration darin verdichtet.

Bernward wuchs im Westteil Deutschlands, auf dem Gut seiner Eltern in Triangel bei Gifhorn, auf. Lange Zeit stand er unter dem autoritären Einfluss seines rechtskonservativen Vaters, des Blut-und-Boden-Romantikers Will Vesper. Als der Vater längst tot war, versuchte Bernward gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin und Verlobten Gudrun Ensslin das Gesamtwerk des Vaters herauszubringen. Erst nach und nach konnte er sich vom Vater und dessen Weltanschauung lösen und kippte gleichsam ins andere Extrem, den Linksextremismus, in Drogenräusche und die sogenannte freie Liebe. Der offenbare Antisemitismus blieb.

Nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes, Felix, verließ Gudrun Ensslin den ausgeflippten Schwerenöter, nur um diesen durch einen anderen durchgeknallten Casanova zu ersetzen: Andreas Baader. Der hochintelligente Bernward Vesper, der immer davon träumte, schriftstellerisch in die Fußstampfen seines Vaters zu treten, verfasste in den Jahren 1969-71 sein einziges, als Romanessay bezeichnetes Werk: DIE REISE. Der Arbeitstitel wechselte mehrmals, das Buch sollte ursprünglich HASS, später TRIP und dann LOGBUCH heißen.

DIE REISE ist mehrdeutig angelegt und schildert verschiedene Ebenen. Da wäre zuerst die Lebensreise: Anekdoten, Reflektionen und Erinnerungsfetzen zur eigenen Vergangenheit. Dem gegenüber steht die innere Reise: Drogentrips unter Einfluss von Haschisch, LSD und andere Substanzen aus der Hausapotheke einer normalen Berliner Wohnkommune in den 1960ern. Darüber hinaus entstand diese Auto-Biografie quasi auf der Reise, Blatt für Blatt, Zettel für Zettel, Notiz für Notiz, denn der Autor führte zum Ende einen mobilen Lebenswandel.

Der Buchinhalt ist ganz Bewusstseinsstrom, Gegenwart und Vergangenheit durchmischen sich. Die Zukunft ist in nüchternen Prognosen und luziden LSD-Visionen ebenso vertreten. „Wir sollten uns nicht mit der Frage herumquälen, wie die Worte entstanden sind, sondern die Dinge – damit wir eines Tages ohne die Sprache auskommen können.“ (S. 218) Ab und an ist vermerkt, wann der Autor beim Schreiben unter welchem Stoff stand: Grüner Türke, Roter Libanese, Schwarzer Afghane, Mikro-Meskalin. Zum Ende hin stößt der Leser dann auf diese Zeilen: „Eine Tages langweilten mich die künstlichen Paradiese mit ihrer Schönheit. Als ich mich umsah, saß ich immer noch in meinem Pisspott.“ (S. 504)

Trotz seines wirren Handlungsverlaufs, der keiner ist, gilt DIE REISE als „das schlechthin gültige Buch über Bewusstsein und Entwicklung der deutschen Nachkriegsjugend“ (Der Spiegel). Timothy Leary, Albert Hofmann, Ulrike Meinhof, Langhans und Kunzelmann und Konsorten, alles, was seinerzeit Rang und Namen hatte, kommt - zumindest namentlich - darin vor. So heißt es im Prolog der Herausgeber, die aus dem Zettelkasten ein halbwegs lesbares Buch collagieren mussten: „Die Ähnlichkeit von Personen dieses Buches mit lebenden Personen beruht nicht auf Zufall, sondern wurde in etwa zweijährigem Arbeitsprozess hergestellt.“

Kurz nach Fertigstellung oder sollte man besser sagen: nach Abschluss des Romanfragments nahm sich Bernward Vesper, der mittlerweile in einer psychiatrischen Klinik lebte, mittels Schlaftabletten das Leben. Wenn man das lesenswerte Erinnerungsbuch VOR DER REISE von Henner Voss, seinem ehemaligen Mitbewohner in der Kreuzberger Cuvrystraße, richtig deutet, dann war das auch von Anfang an so geplant.

Vesper wurde mit seinen 32 Jahren beinahe so alt, wie der andere Frankfurter Dichter und Selbstmörder: Heinrich von Kleist (34).

Nun denn, lasst uns auf REISEN gehen! Ein wirklich wahnsinniges Buch!

Lesetipp:
  • Bernward Vesper: Die Reise. Romanessay, Ausgabe letzter Hand.
  • Henner Voss: Vor der Reise. Erinnerungen an Bernward Vesper.
  • Gerd Koenen: Vesper, Ensslin, Baader. Urszenen des deutschen Terrorismus.

Mittwoch, 14. Februar 2007

Georg Barber aka ATAK

Hier gibt es demnächst einen Eintrag über den äußerst bekannten Comic-Zeichner ATAK, gebürtig in Frankfurt (Oder).

Freitag, 5. Januar 2007

Karl-Jesko von Puttkamer, Marinemilitär

Mit der folgenden Kurzbiographie unterbrechen wir die Reihe großer Vorbilder mit Bezug zur Stadt an der Oder, denn Karl-Jesco von Puttkamer war ein Rechtsaußen und u.a. Adjutant der Marine unter Adolf Hitler sowie Konteradmiral.

Karl-Jesko-von-PuttkamerKarl-Jesko von Puttkamer (* 24. März 1900 in Frankfurt an der Oder, † 4. März 1981 Neuried bei München) trat bereits mit 17 Jahren in die Marine ein und machte während der Weimarer Republik Karriere auf See. 1920 wurde er Leutnant zur See und 1930 Kapitänsleutnant. Von 1933 bis 1935, den ersten beiden Jahren des Dritten Reichs, war er Verbindungsoffizier der Marine zum Oberkommando des Heeres und ab 1935 Zweiter Adjutant der Marine bei Hitler. Ab Oktober 1939 war er Fregattenkapitän und Adjutant der Marine bei Hitler, 1941 Kapitän zur See und ab 1943 Konteradmiral.

In seiner Funktion als Konteradmiral war er bei dem am 20. Juli 1944 in der Wolfsschanze verübten Attentat auf Adolf Hitler anwesend, allerdings nicht auf der Seite der Attentäter (der Begriff "Konteradmiral" ist in diesem Zusammenhang etwas irreführend), sondern auf der rechts zugewandten Seite. Ebenso wie der Große Diktator wurde Karl-Jesko von Puttkamer nur leicht verletzt. Am 21. April 1945 floh Puttkamer mit dem Flugzeug aus dem umstellten Berlin auf den Obersalzberg im heutigen Österreich. Im Mai 1945 wurde er von US-amerikanischen Truppen verhaftet und am 12. Mai 1947 wieder aus der Gefangenschaft entlassen.

Von Puttkamer ist ein alteingesessenes pommerellisches Adelsgeschlecht. So war Johanna von Puttkamer (* 1824, † 1894) die Ehefrau von Otto von Bismarck und Jesko von Puttkamer (* 1855, † 1912) ehemaliger deutscher Gouverneur von Kamerun (1895-1907). Karl-Jesko von Puttkamer darf nicht mit dem in Leipzig geborenen NASA-Manager, Buchautor und Ingenieur Jesco von Puttkamer (* 1933) verwechselt werden.

Mittwoch, 18. Oktober 2006

Gottfried Benn, Dichter

Zeichnung von Tobias FalbergEuropa, dieser Nasenpopel
aus einer Konfirmandennase
wir wollen nach Alaska gehen.

(Gottfried Benn: Alaska)

Fast jeder kennt Gottfried Benn (* 2. Mai 1886 in Mansfeld, † 7. Juli 1956 in Berlin), dessen Sektionslyrik "Kleine Aster" das bekannteste, dessen Gedicht "Melancholie" das beste und dessen "Alaska" wohl sein schrägstes Werk ist. Präzise und tiefgehend – wie mit dem Skalpell seziert – analysiert die Sprache seiner Dichtkunst. Nur wenige allerdings wissen, dass Benn ab September 1897 das Friedrichsgymnasium in Frankfurt (Oder) besucht und hier im Jahr 1903 die Reifeprüfung abgelegt hat. Während seiner Schulzeit machte er u.a. die Bekanntschaft mit Alfred Henschke, der sich ebenso wie Benn zum Dichter entwickelte und als Klabund Berühmheit erlangte. Ihm widmete Benn ein Gedicht, in dem es heißt: "nehmen Sie jene Verse, / Reime, Strophen, Gedichte, / die unsere Jugend erhellten / und man vergaß sie dann nicht".

Nach dem Abitur ging Gottfried Benn erst nach Marburg und 1904 nach Berlin, um dort auf Wunsch des Vaters Theologie und Philologie zu studieren. Ein Jahr darauf entschließt er sich zum Fakultätswechsel und studiert Medizin. Dieser Spurwechsel in eine selbst gewählte Laufbahn war eine weise Entscheidung und sein Studium entwickelte sich äußerst erfolgreich. 1910 erhält Benn nicht nur den ersten Preis der Medizinischen Fakultät Berlin, sondern beginnt auch mit der Veröffentlichung seiner Gedichte. Mit der Gedichtsammlung “Morgue“ gelingt ihm der Durchbruch. Benn selbst beschreibt sein Leben 1920 in der Anthologie “Menschheitdämmerung“ so: “Geboren 1886 und aufgewachsen in Dörfern der Provinz Brandenburg. Belangloser Entwicklungsgang, belangloses Dasein als Arzt in Berlin.“

In den Jahren 1933 und 1934 hatte sich Benn kurzzeitig in die Arme des Nationalsozialismus verirrt, doch schon bald nahm er wieder Vernunft an und zog sich nach dem Schreibverbot in ein inneres Exil zurück. In den 50er Jahren erhielt er den Georg-Büchner-Preis, als erster überhaupt.

weitere Geschmacksproben:
  • Wirklichkeit: “Eine Wirklichkeit ist nicht vonnöten / ja es gibt sie gar nicht…”
  • Melancholie: “Schon eine Pille nimmt dich auf den Arm / und macht das Trübe klar, das Kalte warm.”
  • Wer allein ist: “Wer allein ist, ist auch im Geheimnis, / immer steht er in der Bilder Flut, / ihrer Zeugung, ihrer Keimnis, / selbst die Schatten tragen ihre Glut.”

Mittwoch, 27. September 2006

Gerhard Neumann aka "Herman the German"

Gerhard Neumann wurde in der Frankfurter Humboldtstraße 11 geboren.

Gerhard Neumann (* 8. Okt. 1917 in Frankfurt an der Oder, † 3. Nov. 1997 in Swamscott / Massachusetts) war ein amerikanischer Ingenieur deutscher Herkunft und jüdischer Abstammung, der wesentlichen Anteil an der Entwicklung des Strahltriebwerks (Turbojet) hatte und aufgrund seiner technischen Kenntnisse in den USA auch als Kriegheld gilt ("Herman the German"). Zeitweise fungierte Neumann als Chefmanager und Vizepräsident des US-Konzerns General Electric.

Bettfedernfabrik Siegfried Neumann in der Gubener Straße

Gerhard war der Sohn des Bettfedernfabrikanten Siegfried Neumann. Als Schüler besuchte Gerhard Neumann, wie auch schon vor ihm Gottfried Benn und Klabund, das Friedrichsgymnasium. Die Karriere von Neumann begann in der Werkstatt seines eigenwilligen Meisters Alfred Schroth - in Frankfurt an der Oder. Nach der dreijährigen Lehre besuchte Neumann eine Ingenieursschule in Mittweida bei Chemnitz. 1938 verließ er aufgrund der Judenverfolgung Deutschland und ging nach China, um dort als Ingenieur zu arbeiten.

1948 begann er als Techniker bei dem US-Konzern General Electric, wo er später bis zum Chefmanager aufstieg. Sein Leben schildert er in seiner Autobiographie "Herman the German: Just Lucky I Guess", dessen deutscher und etwas sperrig klingende Titel "China Jeep und Jetmotoren. Vom Autolehrling zum Topmanager. Die Abenteuer-Story von "Herman the German", eines ungewöhnlichen Deutschen, der in den USA Karriere machte" lautet.

Weitere Infos liefert das Gerhard Neumann Museum, das sich seltsamerweise nicht in Frankfurt sondern in Niederalteich zwischen München und Passau befindet.

Konrad Wachsmann, Architekt

Gedenktafel am Frankfurter Filmpalast.

Konrad Wachsmann (* 16. Mai 1901 in Frankfurt an der Oder, † 25. Nov. 1980 in Los Angeles) war ein führender Architekt der Moderne. Er entwarf u.a. das berühmte Sommerhaus für Albert Einstein in Caputh bei Potsdam und arbeitete im amerikanischen Exil mit dem Bauhaus-Begründer Walter Gropius zusammen.

Konrad kam als drittes von vier Kindern des jüdischen Apotheker-Ehepaares Wachsmann in der Oderstadt zur Welt. Sein Vater war Inhaber der Adler-Apotheke, die durch den zweiten Weltkrieg zerstört wurde und sich auf dem Areal des heutigen Kinos am Marktplatz befand.

Wachsmann kam im Laufe seines Lebens neben Einstein und Gropius mit zahllosen weiteren Persönlichkeiten in Berührung: Thomas und Heinrich Mann, John Heartfield und Wieland Herzfelde, George Grosz, Oskar Kokoschka, Walter Mehring, Else Lasker-Schüler, Bertolt Brecht, Mies van der Rohe, Richard Buckminster Fuller,…

Als Folge des nationalsozialistischen Antisemitismus und Rassenwahns musste Konrad Wachsmann Deutschland verlassen. In den Vereinigten Staaten fand er eine neue Heimat und ein weites Feld für seine experimentellen Bauten.
Wachsmann-Grabstein
Im März 1979 weilte Wachsmann ein letztes Mal in seiner Vaterstadt und äußerte bei seinem Besuch den Wunsch, in Frankfurt an der Oder begraben zu werden: „Nur beerdigt möchte ich hier sein.“ (Grüning: Wachsmannreport, S. 135) Bereits im Jahr darauf verschied der Deutschamerikaner im Alter von 79 Jahren in seinem Haus in der Calvin Avenue in Los Angeles; seine letzte Ruhestätte befindet sich seinem Wunsch gemäß auf dem Frankfurter Hauptfriedhof.

Frankfurt (Oder)

Hart an der Grenze

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